Des Architekten Abgesang
Ich hab ein Leben lang gebaut.
Die Ideen dazu, die war'n geklaut.
War'n nie mein geistig Eigentum.
Doch sei's halt drum, was macht das schon?
Eh mich dafür der Teufel holt,
Nur einwas ich noch bauen wollt.
Mit einem einz'gen Unterschied:
Diesmal bin ich der Pläneschmied!
Allein stech ich die Schnitzerei'n,
Setz' ornamierten Stein auf Stein,
Ein Mosaik aus buntem Sand,
Setz jedes Körnchen ein von Hand.
Und weil man darauf gehen soll.
Sei der Boden reinster Bergkristall.
Ein Bauwerk für die Ewigkeit,
Denn ewig wird es für mich sein.
Bald sind die letzten Tage um,
Zieh ein in mein Mausoleum.
Einbalsamiert und aufgebahrt,
Erwart ich meine letzte Fahrt.
Gut, dass es keine Spiegel gibt,
Wär sonst im Tod noch ausgeflippt!
Hätt den Bestatter vorgesandt,
Der mich geschminkt, wie braungebrannt!
Doch bleib ich vorerst ahnungslos.
Mein Sarg schwebt über feuchtes Moos.
Auf die steinere Türe zu.
Sie ruft mich schon zur letzten Ruh'.
Noch dringt ein wenig Licht durchs Tor.
"Schließt ab und legt den Riegel vor!"
Es erlischt das letzte Kerzenlicht.
Vor mir schwebt ein Alb-Gesicht.
Er löst sich aus der Dunkelheit.
Murmelt das Wort, dass die Seele befreit.
"Mein Freund, du schaust beschissen aus.
Komm mit, ich bring dich jetzt nach haus.
Doch denk nicht, du bliebest ungeschor'n,
Deine Sühne hat bereits begonn'n.
Er trägt mich raus aus meinem Grab
Und siebenhundert Meilen in die Hölle hinab.
Ein volles Jahr bleibt alles still,
Frag mich, wie er mich bestrafen will...
Dann trägt er mich ans Licht hinaus,
Und dort befällt mich kalter Graus.
So trägt er mich von Ort zu Ort.
Ich wünsche mich von jedem fort.
Das einz'ge, was ich selbst gebaut,
Wurd rund zweihundert mal geklaut!
© Copyright2012 - Stephan Genzler - Weimar
